Entwicklung der Digital-Technologie

Die Erfindung der Digitalisierung – d.h. die Umwandlung kontinuierlicher analoger Signale in diskrete Signale und binären Code, bestehend aus Nullen und Einsen – hat die Aufnahme, Bearbeitung, Speicherung und Distribution von Musik und Film seit den 1970er Jahren komplett revolutioniert. Sie führte zu einer dramatischen Vereinfachung, Kostenreduktion und Qualitätssteigerung aller Produktionsschritte, aber auch zu einer dramatischen Vereinfachung der Vervielfältigung und Übertragung.

Wie schon bei der Entwicklung der analogen Tonaufzeichnung, sind auch bei der digitalen Tonaufzeichnung die meisten Erfindungen aus der Entwicklung der Telephonie und Telegraphie entstanden. Eine der frühen Herausforderungen von Telegraphie- und Telephonnetzen war das „Multiplexen“, d.h. das zeitgleiche Übertragen mehrerer Kommunikationskanäle (Telephongespräche) über denselben Draht. Hierzu werden die Telephongespräche von einem Multiplexer gebündelt, nachdem sie auf ein Trägersignal moduliert wurden, und anschließendbei den Empfängern von einem Demultiplexer wieder entflochten. Bereits um 1900 wurde von verschiedenen Entwicklern Multiplexen durch Sampling (Erstellen von Messwerten zu diskreten, meist äquidistanten Zeitpunkten, um aus einem zeitkontinuierlichen Signal zeitdiskrete Signale zu gewinnen) verwendet. So setzte der amerikanische Ingenieur W. M. Miner bereits 1903 eine Samplingverfahren mit ca. 4.000 Hz ein, um Telephongespräche erfolgreich per Zeitmultiplexverfahren zu übertragen.

Bei Miner war es allerdings um 1900 noch eher ein Zufallsspiel, ob der Demultiplexer die ursprünglichen Gespräche wieder in verständlicher Form rekonstruierte oder nicht. Miner fehlten noch die theoretischen Grundlagen der „Sampling“ (oder „Abtast“-) Theorie. Diese wurde erstmalig 1933 vom sowjetischen Ingenieur Wladimir Kotelnikow (1908-2005) formuliert, dessen Arbeiten allerdings im Westen unbekannt blieben, so dass der amerikanische Mathematiker Claude Shannon (1916-2001) 1948 unabhängig das gleiche Theorem erfand. Shannon baute seine Theorie auf Vorarbeiten vom amerikanischen Bell-Labs-Ingenieur Harry Nyquist (1889-1976) aus den 1920er Jahren auf. Das Abtasttheorem besagt, dass ein auf fmax bandbegrenztes Signal aus einer Folge von äquidistanten Abtastwerten exakt rekonstruiert werden kann, wenn es mit einer Frequenz > 2x fmax abgetastet wurde. Das heißt, dass man (unter Einhaltung des Abtasttheorems) mit einer begrenzten Anzahl diskreter Messpunkte eines kontinuierlichen Ursprungsignals, den kontinuierlichen Frequenzverlauf dieses Ursprungsignals verlustfrei rekonstruieren kann – dass also keine Informationen „zwischen den Messpunkten“ verloren gehen.

Im Laufe der Zeit wurden für verschiedene Anwendungen diverse Modulationsverfahren entwickelt (z.B. Pulse-Density-Modulation (PDM), Pulse-Position-Modulation (PPM), Pulse-Amplitude-Modulation (PAM), Pulse-Number-Modulation (PNM) etc., doch die mit Abstand am weitesten verbreitete im Audiobereich ist Puls-Code-Modulation (PCM)). 1937 entwickelte der bei der amerikanischen „International Telephone & Telegraph Inc.“ in Paris angestellte britische Wissenschaftler Alec Reeves (1902-1971) das sog. Pulsmodulationverfahren (Puls-Code-Modulation, kurz PCM) für Telephonanwendungen. Wesentliches Ziel war die Reduzierung von Störgeräuschen bei der Telephonübertragung. 1938 erhielt er dafür ein Patent. Aufgrund der Komplexität der Elektronik, die für das PCM-Verfahren nötig war, war eine Realisierung mit der damalig verfügbaren Röhrentechnologie nicht kommerziell sinnvoll. Dies wurde erst in den 60er Jahren mit Anwendung von Transistortechnik möglich. Allerdings wurde Reeves PCM-Verfahren während des II. Weltkrieges für das von den Bell Laboratories gebaute Hochsicherheits-Kommunikationssystem „SIGSALY“ ab 1943 eingesetzt, mit dem u.a. Churchill und Roosevelt telephonisch verschlüsselt kommunizierten. Die SIGSALY-Anlage war massiv: sie bestand aus 40 Regalen mit Gerätschaften, wog über 50 Tonnen und benötigte 30kW Strom, weshalb sie in einem eigenen Kühlraum untergebracht werden musste. SIGSALY ist das erste System, mit dem Töne im PCM-Verfahren quantisiert und übertragen wurden (Abb. 40).


Abb. 40 – SIGSALY Chiffriersystem der Bell Laboratories, 1943

Um analoge (kontinuierliche) Audiodaten zu digitalisieren wandeln nach dem PCM-Verfahren Analog-Digital-Konverter (ADC) das analoge Tonsignal in 2 diskrete Kenngrößen um:

  • Abtastrate: Auch Samplingrate, bezeichnet die Häufigkeit, mit der das zeitkontinuierliche Tonsignal abgetastet wird (d.h., Samples oder Proben entnommen werden) und in ein zeitdiskretes Signal umgewandelt wird, gemessen in Hz.
  • Wortbreite: Auch Bittiefe, definiert die Größe der Messpunkte zu jedem der Abtastpunkte mit denen die wertkontinuierliche Amplitude des Tonsignals in ein wertdiskretes Signal umgewandelt wird (Quantisierung). Sie gibt, nach der Codierung, die Amplitude des kontinuierlichen Signals zu diesem Zeitpunkt in Bit an.

Erst nach Einführung der Transistortechnik begannen die staatlichen Radioorganisationen BBC in England und NHK in Japan mit der Entwicklung kommerzieller PCM-Tonaufzeichnungstechnologien in den späten 1960ern:

  • Die NHK hat in ihrem Forschungszentrum 1967 ein erstes Mono-PCM-Aufnahmegerät mit 30kHz/12Bit-Konverter und Videobandaufzeichnung entwickelt. Das Konzept PCM-Daten in VTR-kompatible (Videomagnetband) Signale umzuwandeln wurde bis in die 90er Jahre beibehalten. 1969 wurde es zu 2-Kanal/32kHz/13Bit weiterentwickelt. Die Firma Nippon Columbia arbeitete mit NHK zusammen und eine Tochtergesellschaft der Nippon Columbia, namens „Denon“, begann 1971 mit diesem Aufnahmesystem kommerzielle Digitalaufnahmen zu produzieren – die allerdings noch auf analogem Vinyl-Tonträger veröffentlicht wurden. Das erste veröffentlichte digitale Album war: Steve Marcus und Jiro Inagaki: “Something” im Januar 1971 (Abb. 41). Bis 1972 hatte Denon sein eigenes digitales Aufnahmesystem entwickelt: das DN-023R mit 8-Kanälen, 47,25kHz und 13Bit, mit dem als erstes im April 1972 in Tokio das Smetana Quartett und Mozarts Streichquartette KV458 und KV421 aufgenommen wurden. 1977 folgte dann das mobile DN-034R mit ebenso 8 Kanälen, 47,25 kHz und 14Bits (Abb. 42).
  • 1972 hatte die BBC ein 13-Kanal-PCM-System entwickelt, um den Ton ihrer TV-Ausstrahlungen zu verbessern. Das System wandelte den Ton in der Fernsehzentrale ins PCM-Format und in den regional verteilten Sendeanlagen wieder zurück ins Analoge. Die BBC entwickelte Anfang der 1970er Jahre auch ein 2-Kanal PCM-Aufnahmegerät, das später teilweise an 3M in den USA lizensiert wurde.


Abb. 41 – Steve Marcus und Jiro Inagaki – Something‘, 1971 – Erstes kommerzielles digitales Musikalbum


Abb. 42 – Denon DN034R; aus: Denon Katalog 1980/81

In den USA folgten 1976 das von vom Thomas Stockham (1933-2004) gegründete Unternehmen „Soundstream“ und 1977 der „3M“-Konzern mit eigenen PCM-Rekordern. Das Soundstreamsystem war ein 4-Kanal-System, bestehend aus einer modifizierten Honeywell 5600E Bandmaschine (HTD) mit 1‘‘ Ampex 466 Band und selbstentwickelte Wandlungs- und Steuerelektronik (DTR – Digital Tape Recorder) (Abb. 43). Der DTR basierte auf einem Analogic MP8016 16Bit A/D-Wandler und einem Analogic MP1926A D/A-Wandler mit jeweils 50kHz Samplingrate (dem 16Bit–Nutz-Signal wurden 4Bit Steuerdaten hinzugefügt, so dass oft von 20Bit die Rede ist). Das besondere an dem Soundstream-System war das digitale Editiersystem, bestehend aus einem PDP 11/60 Mainframe Computer von „Digital Equipment Co.“ (DEC) und proprietärer Software. Mit dem System konnte die Wellenform der Aufnahmen graphisch dargestellt und geschnitten werden. Das Soundstream-System war damit die erste Digital Audio Workstation (DAW).


Abb. 43 – Soundstreams Digital Tape Recorder (DTR), 1977

In einem Interview mit Audio Magazin 1994 berichtet der Aufnahmeleiter von „New World Records“, Jerry Bruck von der ersten Probeaufnahme mit dem Soundstream-System. New World Records bereitete im Sommer 1976 gerade eine Aufnahme der Santa Fe Oper mit Virgil Thomsons „The Mother of Us All“ vor. Tom Stockham kontaktierte ihn und fragte, ob er bei der Aufnahme parallel zu Testzwecken sein Soundstream-System laufen lassen dürfte. Bruck stimmte zu und richtete Soundstream in Santa Fe eine Leitung von New World Records Mischpult ein. Bruck erzählte: „Mir wurde klar, dass wir es hier mit etwas völlig Neuem zu tun haben, als Tom [Stockham] mich über mein Intercom anrief und sagte, dass ihm ein Brummen in unserem Signal aufgefallen sei. Ich drehte die Lautstärke meiner Monitorlautsprecher hoch, konnte aber nichts hören. Ich fragte ihn, wo er meint, das Brummen zu hören. Er checkte seine Geräte und rief zurück: ‚bei ca. -80 dB‘. Schluck! Zu dieser Zeit waren die besten Bandgeräte mit Rauschunterdrückung in der Lage einen Signal/Rausch-Abstand von 70 dB zu realisieren. Ein Brummen bei -80 dB ging bei uns im allgemeinen Bandrauschen unter.“

Das erste digital aufgenommene Pop-Album, Ry Cooder: ‚Bop Till You Drop‘, wurde von den Warner Brother Records 1979 auf einem digitalem 32-Kanal-Aufnahmesystem mit 50kHz/16bit von 3M aufgezeichnet. DECCA entwickelte in seinem Recording Center 1978 ein eigenes 2-Kanal-System mit 48kHz / 18bit und IVC Helical-Scan-Video-Aufnahmegerät. DECCAs erste kommerzielle Aufnahme war das Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker unter Willi Boskovsky am 1. Januar 1979. Philips nutzte das Sony 1600 2-Kanal PCM-System um zum ersten Mal ein Digitalaufnahme von Händels Concerti Grossi op.3 unter Neville Marriner zu produzieren. Die anderen Plattenlabels folgten noch Ende der 70er Jahre mit eigenen Veröffentlichungen. Niemand konnte es sich leisten bei der digitalen Entwicklung nicht dabei zu sein, z.B.:

  • Frederick Fennell: The Cleveland Symphonic Winds, Telarc, 1978 (Aufnahme mit: Digitalem 4-Kanal, 50kHz/16bit System von Soundstream)
  • I. Stravinsky: The Firebird, Telarc, 1978 (Aufnahme mit: Digitalem 4-Kanal, 50kHz/16bit System von Soundstream)
  • P. Tschaikowsky: 1812, Telarc, 1978 (Aufnahme mit: Digitalem 4-Kanal, 50kHz/16bit System von Soundstream)
  • C. Debussy: Image pour orchestre mit dem London Symphony Orchestra unter A. Previn, EMI, 1979
  • R. Strauss: Also sprach Zarathustra mit dem Philadelphia Orchestra unter E. Ormandy, EMI
  • Ry Cooder: Bop Till You Drop, Warner Brothers, 1979 (Aufnahme mit: Digitaler 32-track, 50kHz/16bit System von 3M) – erstes digitales Pop-Album
  • Neujahrskonzert Wien: Wiener Philharmoniker, Willi Boskovsky, DECCA 1979 (Aufnahme mit: selbstentwickeltem digitalen System vom DECCA Recording Center) – erste Europäische kommerzielle Digitalaufnahme
  • L.v. Beethoven: Fidelio, Chicago Symphony Orchestra unter Solti, DECCA, 1979 (Aufnahme mit: selbstentwickeltem digitalen System vom DECCA Recording Center)
  • P. Tschaikowsky: Violinkonzert, L. Maazel, G. Kremer, DG, 1979
  • W.A. Mozart: Zauberflöte, Berliner Philharmoniker, H.v. Karajan, DG, 1980
  • R. Strauss: Eine Alpensymphonie mit den Berliner Philharmonikern unter H.v. Karajan, DG, 1980

Während die frühen Digital-Aufnahmen von z.B. DECCA und EMI hervorragend klangen, waren die ersten digitalen Gehversuche bei der Deutschen Grammophon von eher gemischter Qualität.

Alle großen Labels haben zwar ab Ende der 1970er Jahre digitale Mehrspuraufnahmen gemacht, die den digitalen Weg angeblich nicht verlassen haben (DDD). Da es aber bis Ende der 80er Jahre nur eingeschränkt möglich war digital zu mischen, wurden viele Aufnahmen zwar digital bzw. teilweise digital, teilweise analog gemacht, anschließend aber zumindest teilweise analog abgemischt. Die Folgen aus mehrfachen Digital-/Analog- und Analog-/Digital-Wandlungen im Produktionsprozess kann man heute noch in vielen Aufnahmen der späten 70er und frühen 80er hören: die Aufnahmen rauschen gänzlich oder in Teilen, obwohl sie digital aufgenommen wurden (z.B. Dire Straits: Love over Gold, Warner Brothers Records, 1982 (bei dem einige Spuren digital andere analog aufgenommen wurden); Alfred Brendel, Neville Marriner: Mozart Klavierkonzerte KV 450 & KV467, Philips, 1981; Philippe Entrement: Satie Gymnopédies, CBS, 1979).

Bis 1983 wurden alle Digitalaufnahmen noch ausschließlich analog auf Vinyl veröffentlicht – ab 1983 dann parallel auf Vinyl und auf CD. Die Einführung der Compact Disk (CD) als Tonträger erfolgte 1981 auf der Berliner Funkausstellung durch Sony/Philips und Polygram. Die CD ist eine Weiterentwicklung der LaserDisc-Technologie. Als einer ihrer Erfinder gilt David Paul Gregg (1923-2001), der bereits 1958 bei Western Electric für das Westrex-System analoge optische Speichermedien für die Filmspeicherung entwickelt hatte. 1962 reichte er ein entsprechendes Patent ein. 1966 reichte James T. Russel (geb. 1931) ein Patent für die optische Speicherung digitaler Binärdaten ein, das 1970 gewährt wurde. Greggs und Russels Speichermedien waren Floppy-Medien, die durch Hinterleuchtung gelesen wurden, was eine Reihe von Nachteilen mit sich brachte. Forscher von Philips (Pieter Kramer und Klaas Compaan) entwickelten 1969, aufbauend auf den Ideen von Gregg und Russel, einen optischen Videodatenträger, der durch Reflexion mit einem Laser gelesen wurde. Dies war im Grunde das Format, das auch heute noch in allen optischen Discs verwendet wird (CD, DVD, Bluray etc.). Daraus entwickelte dann zuerst 1978 Philips gemeinsam mit der amerikanischen „Music Corporation of America“ (MCA) die LaserDisc für Videoanwendungen und dann Philips gemeinsam mit Sony 1979 die Compact Disc (Abb. 44) für Audioanwendungen. Die Audio-CD ist eine 1,2 mm dicke Scheibe mit einem Durchmesser von 12 cm oder 8 cm (CD-Single), die aus einem Polycarbonat-Träger besteht, auf den eine dünne Aluminiumschicht aufgetragen wird. Mit dem Red-Book-Standard von 44,1kHz und 16Bit erreicht sie eine Frequenzbandbreite von 5 Hz bis 20 kHz und einen Dynamikumfang von 96 dB.

Abb. 44 – Audio Compact Disc

Die erste veröffentlichte Audio CD war im August 1982 ABBAs „The Visitors“ (Abb. 45), gefolgt von Billy Joels „52nd Street“ im Oktober 1982. In den Läden waren dann die ersten CDs und CD-Player (Abb. 46 & 47) ab Anfang 1983 allgemein verfügbar.


Abb. 45 – ABBA: The Visitors, 1982 – erste veröffentlichte CD


Abb. 46 – Sonys erster CD-Player CDP-101, 1982

Abb. 47 – Philips erster CD-Player CD-100, 1983

Trotz der anfänglich hohen Preise für CDs und auch für die Abspielgeräte waren sie äußerst begehrt. Binnen 5 Jahren überholten 1988 die CD-Verkäufe die von Schallplatten (Abb. 48). Einen wichtigen Anteil an dem Erfolg hatte die frühe Standardisierung mit den Rainbow-Standards 1980 (von denen der Red-Book-Standard der CD nur einer ist), die half, einen erneuten Formatekrieg wie bei den Videoformaten zu vermeiden. Er ermöglichte, dass jede CD von jedem Plattenlabel auf jedem CD-Player von jedem Gerätehersteller abgespielt werden konnte.


Abb. 48 – Tonträgerverkäufe in den USA 1973-2018 in 2018 USD; Quelle: RIAA, Economist

Was die Musikindustrie damals nicht vorhergesehen hatte, waren die weitreichenden Folgen für die Portabilität von Musik, die letzten Endes das gesamte Vertriebsmodell der Musikindustrie über den Haufen werfen sollte. Gefördert durch neue Kompressionstechniken (z.B. MPEG-1 Audio Layer III oder MPEG-2 Audio Layer III (mp3-Verfahren) des Frauenhofer Institutes) und die zunehmend preisgünstige Verfügbarkeit von Internet-Bandbreite, entstand ein weit über den privaten Bereich hinausgehender Austausch von Musikdateien über das Internet. 1999 kam mit Napster das erste Peer-2-Peer-Netzwerk als digitale Tauschbörse auf. 2003 gingen die ersten Bezahl-Downloadportale (z.B. iTunes Store) online und 2008 kamen die ersten Streaming-Dienste (z.B. Spotify) auf.

Damit hat die Musikindustrie unabsichtlich einen Paradigmenwechsel ausgelöst: Weg vom Trägermedium, hin zu dateibasierter Wiedergabe:

  • Mit dem Wegfall des Trägermediums ist die Aufnahme von den Beschränkungen des Trägermediums befreit. Jedes Trägermedium beschränkte bisher die maximal mögliche Qualität der Wiedergabe einer Aufnahme durch seine physischen und elektrischen Parameter.
  • Mit dem Wegfall des Trägermediums hat auch der klassische Vertriebsapparat der Musikindustrie, der auf den Vertrieb physischer Trägermedien (Schallplatten, Tonbänder, CDs) ausgerichtet war, dramatisch an Bedeutung verloren. Die Musikindustrie ist zwar weit davon entfernt im Sterben zu liegen, wie das eine Zeit lang kolportiert wurde. Von den einstigen Titanen der Musikindustrie (z.B. Decca, RCA, EMI oder Philips) ist heute allerdings nicht mehr viel übrig. Der Vertrieb findet zunehmend über Onlinekanäle statt und zwar per Download und per Streaming.

Ironischer Weise überholten 2019 die Schallplattenabsätze wieder die CD-Verkäufe – wenn auch auf niedrigem Niveau.

Ab ca. 2015 begannen die großen Plattenlabels sukzessive mit der Veröffentlichung ihrer originalen Masterbänder in HighResolution Audio (zumeist 96 kHz / 24 bit oder 192 kHz / 24 bit). Im Gegensatz zur analogen Technik, ist in der digitalen Domäne jede Kopie identisch mit dem Original. Die Degradation der Qualität, die im analogen Kopierprozess die Qualität mindert, gibt es im Digitalen nicht. Diese digitalen „Masterfiles“ sind Kopien erster Generation der originalen Masterbänder und kommen dadurch der Originalaufnahme näher als jede frühere Veröffentlichung auf einem Tonträger. Damit wird gleichzeitig auch ein Endpunkt in der Entwicklung der Wiedergabetechnologie erreicht: Dem originalen Musikereignis kann man im Nachhinein schlicht nicht näher kommen, als durch das Masterband. Während es bis dato sehr teuer und schwierig war, Produktionskopien von Masterbändern zu erhalten und diese auf komplizierten und teuren Bandmaschinen abgespielt werden mussten, ist es nun für nahezu jedermann möglich zu geringen Kosten Mastertapes anhören zu können.

Moderne Wiedergabegeräte sind entsprechend auf das Abspielen digitaler Musikdateien, unabhängig von Dateiformat oder Auflösungsqualität, ausgerichtet. So gibt das Model 2 der „Digitalen Audio Systeme“ (Abb. 49) Digitaldateien mit einer Auflösung bis zu 384 kHz von der internen Festplatte oder über das Internet gestreamt wieder. Die Steuerung erfolgt entweder klassisch am Gerät oder, bequemer, vom Sofa aus über ein Tablet mit multimedialem UserInterface.

Abb. 49 – Model 2 der Digitalen Audio Systeme, 2018

 

 

© Alexej C. Ogorek